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AutorenbildLukas Moesch

Nordlichter in der Schweiz - Was erwartet uns? (Teil 2)

Aktualisiert: 10. Okt.

Noch im November schrieb ich hier einen ausführlichen Beitrag über mögliche Nordlichter in der Schweiz und wie diese aussehen könnten. Soviel vorne weg, damit hätte ich nie gerechnet!

Wer sich noch an das Titelbild erinnert, der weiss, dass es eine Fotomontage war. Ganz anders sieht es dieses Mal aus, denn hier zeige ich Einzelbilder aus der Nacht vom 10.-11.Mai 2024. In diesem Beitrag versuche ich Vergleiche zum letzten Post herzustellen und einige Aussagen zu korrigieren, du darfst also gespannt sein!





Im November schrieb ich:

"Wer jetzt davon ausgeht, dass wir künftig solche Nordlicht Bilder wie das oben in den Schweizer Bergen schiessen können, den muss ich gleich zu Beginn enttäuschen."

Nur handelt es sich beim heutigen Beitrag tatsächlich um ein Bild aus den schweizer Alpen und ich muss meine Aussage etwas korrigieren.


Seit dem letzten nennenswerten Nordlichtausbruch am 05. November 2023 war es auf der Sonne eher ruhig, zumindest wenn man Ereignisse betrachtet die zur Erde geschleudert wurden. Vergleichen wir nun aber einmal die beiden Webcambilder der Nacht vom 05.11.2023 (G3) mit denen vom 10.-11.05.2024 (G5) so sehen wir sehr schnell einen markanten Unterschied. Beide Screenshots der Webcam zeigen den stärksten Ausbruch der jeweiligen Nacht und lassen sich dadurch extrem gut vergleichen.


Nordlichter Webcam
Blick von der Mitellegihütte am 05.11.2023 um 20:30

Nordlichter Webcam
Blick von der Mitellegihütte am 11.05.2024 um 00:50

Wie du gut erkennst, war die Leuchtkraft des Nordlichts im Mai um ein vielfaches stärker als noch im November. Dies führt dazu, dass praktisch im gesamten Alpenbogen die verschneiten Berge in grellem Pink erstahlen. Zudem siehtst du recht gut wie die Webcam ihre Helligkeit anpassen musste. Betrachte dafür die Lichter unten im Tal. Im Novemberbild erscheinen die Lichter wesentlich heller als im Mai, obwohl es exakt derselbe Ausschnitt ist und in etwa dieselbe Menge an Lichtern zu sehen ist. Das zeigt eindrücklich wie hell die Nordlichter in dieser Mai-Nacht wurden.

Ebenfalls sehr beeindruckend ist die gigantische Ausdehnung der Nordlichter im Mai 2024. Wo die Lichter im November lediglich ganz im Norden zu sehen sind, bedecken sie auf dem zweiten Bild einen Bereich von Nordost bis Nordwest. Ebenfalls wunderbar zu sehen ist das sogenannte SAR*, ein rotes Band links und rechts der eigentlichen Nordlichter. Spannender Weise deckt das Nordlicht im Mai ziemlich exakt den Bereich des SAR vom November ab. Weiter ist wohl kaum zu erwähnen wie viel strukturierter und farbenprächtiger die Nordlichter diesen Mai erstrahlten. Selbst die weit unten in der Atmosphäre auftretenden grünen Nordlichter waren von blossem Auge zu beobachten!


Damit es aber überhaupt zu einem solchen Ereignis der Klasse G5 und dem maximalen KP Wert von 9 kommen konnte, braucht es einige Voraussetzungen. Diese möchte ich etwas weiter unten kurz erläutern.


Falls du gerne einen ausführlicheren Beitrag über Nordlichter lesen möchtest, empfehle ich meinen Beitrag von 2022. Dort zeige ich Bilder von allen Farben der Nordlichter und erkläre die dazugehörige Höhenstufe ausführlicher. Zum Beitrag geht es HIER 


*SAR = Stable Aurora Red Arch = Stabiles rotes Nordlicht Band

SAR hängt zwar genauso mit "normalen" Nordlichtern zusammen, es hat aber ganz andere Mechanismen die sie verursachen. Ganz verstanden habe ich das Phänomen noch nicht, aber es scheint im Zusammenspiel mit Ringströmen des Erdmagnetfelds und starken Sonnenstürmen die uns erreichen zu entstehen. Vornehmlich tritt es bei Sonnenstürmen ab der Klasse G3 auf.


SAR über den Alpen
Hier siehst du gut den Unterschied von SAR (rot) zu Nordlicht (lila)

Um die beiden Ereignisse 2023/2024 etwas einordnen zu können habe ich nach vergleichbaren Aufzeichnungen gesucht und wurde bei www.polarlicht-archiv.de fündig.

Wie du unten siehst, unterscheiden sich die beiden Ereignisse in ihrer Stärke deutlich voneinander. Den grössten Unterschied den es gibt, liegt in der Vorgeschichte des Sturms. Die Aktive Region AR 3664 schleuderte sagenhafte 8 CME (Koronale Massenauswürfe) in unsere Richtung. Davon kamen etwa 6 direkt und dicht komprimiert bei uns an. Zu allem Glück war das IMF (Interplanetares Magnetfeld) über diese Zeit günstig nach Süden ausgerichtet sodass sich Substorms in der Form von Nordlichtern entladen konnten. Dieses Bombardement hat unser Erdmagnetfeld soweit geschwächt und verformt, dass es schlussendlich möglich wurde die Nordlichter selbst in der Schweiz direkt über dem Kopf zu bestaunen. Ohne diese "Vorbehandlung" wäre ein einzelner CME dieser Grössenordnung nicht in der Lage gewesen soweit vorzudringen.

Im Vergleich dazu war der Event vom November 2023 (meinem Wissensstand zufolge) ein einzelner sehr straker CME, der die Lichter bis an unseren Nordhorizont brachte.





Damit wir also in unseren Breiten ein solches Feuerwerk erleben, bedarf es vieler unterschiedlicher Faktoren und ein Zusammenspiel einzelner Komponenten.

Sollte sich AR 3664 in etwa 20 Tagen erneut so explosiv zeigen, so könnte uns bereits ein weiteres Spektakel bevorstehen. Die Chancen und Vorhersagen für solche Ereignisse ist auf diese lange Dauer aber unmöglich. Sollte sich erneut ein solches Zusammenspiel ergeben, so wissen wir das im Maximum einige wenige Tage im Voraus.


Nordlichter Graubünden

Wieso konnten wir jetzt aber eine derartige Farbenvielfalt beobachten und sogar die aus dem Norden typischen grünen Nordlichter sehen?


Die Antwort auf diese Frage ist relativ einfach und die Lösung findest du in meinem Blogpost von 2022. Selbstverständlich erkläre ich das aber auch hier ganz kurz.


Nordlichter entstehen bekanntlich ab einer Höhe von ca 80-100km über dem Erdboden und erreichen Höhen jenseits der 400km. Nun gibt es nicht auf jeder Höhe die selben Atome, geschweige denn die selbe Dichte an Atomen. Je weiter hoch man in der Atmosphäre steigt, desto geringer wird die Dichte und auch die vorhanden Atome verändern sich massgeblich. Damit die geladenen Teilchen der Sonne überhaupt in den leuchtenden Farben strahlen können, braucht es diese Atome in der Atmosphäre. Das Zusammenspiel aus Art und Menge der vorhandenen Atome bestimmt schlussendlich die emittierte Farbe bei einer Kollision mit den geladenen Sonnenteilchen. Grün findet sich auf der untersten Höhenstufe zwischen etwa 100-250km. Das ist selbstverständlich eine unvorstellbare Zahl, doch verschwindet ein solcher Bereich dennoch sehr schnell unter dem Horizont wenn man sich genügend davon entfernt. "Stehen" die Nordlichter also über Süd-Skandinavien, so ist dieser grüne Bereich von uns aus gesehen unter dem Horizont verborgen. Lichtverschmutzung und Partikel in der Luft verstärken diesen Effekt noch zusätzlich und "heben" den Horizont etwas an.

Der Grund weshalb wir nun selbst die grünen Nordlichter beobachten konnten liegt im Endeffekt einfach an der schieren Ausdehnung des Auroral Oval - dem Bereich der Aurora Borealis in der Nacht vom 10.-11.Mai 2024. Der Grund weshalb wir gleichzeitig soviele andere Farben am Himmel sehen konnten, liegt an der Dauer und Stärke dieses Ereignisses. Durch die anhaltende "Bestrahlung" durch die Sonne wurde die Atmosphäre ordentlich aufgemischt. Diese Aufmischung hat zur Folge, dass Atome und Molekühle in grössere Höhen verfrachtet werden und sich somit in der Höhe die Atomdichte ändert. Diese Veränderung wiederum führt in der Höhe zu vermehrten Kollisionen mit geladenen Sonnenteilchen und ganz zum Schluss zu den lila und roten Farbtönen die wir zuoberst auf unseren Bildern sehen. Hier hilft uns natürlich der "seitliche" Blickwinkel auf die Nordlichter nochmal zusätzlich. Steht man direkt darunter, so überstrahlen die grünen Partien meist die eher zarten roten Partien der Nordlichter. Bei Grossereignissen wie dem vergangenen, leuchten die obersten Schichten aber hell genug um auch das leuchtstarke Grün zu übertreffen.


Wie gut sieht man die Farben aber von blossem Auge?


Diese Frage wird mir relativ oft gestellt und sie ist sehr individuell zu beantworten. Wie gut oder schlecht die Farben zu sehen sind, hängt von jeder Person ab die die Nordlichter betrachtet. Das menschliche Auge ist in der Nacht primär empfindlich auf Helligkeitsunterschiede und Kontraste, die Farben leiden dafür etwas. So erscheinen für die allermeisten Menschen die Nordlichter blass bis farblos. Einige wenige vermögen etwas feinere Abstufungen wahrzunehmen und andere sind schlicht trainierter in der Deutung von Farben. So sehe ich Heute nach vielen Nordlichtsichtungen zum Beispiel auch etwas schneller welche Farben am Himmel tanzen als beim aller ersten Mal. Man lernt Schattierungen als Farben zu deuten und sieht diese dann auch tatsächlich.

Unten das Bild welches bei SRF Meteo zum Voting steht, einmal original aus der Kamera und einmal so wie ich den Moment erlebt habe. Darunter ist noch eine Aufnahme des stärksten Moments ohne zusätzliche Nachbearbeitung. Sogar die meisten Monitore scheitern bei der korrekten Darstellung dieser Farben.



Nordlichter in allen Farben
Bei diesen Farbverläufen scheitern sogar s'RGB Monitore in der korrekten Darstellung

Noch gibt es eine letzte Frage die ich gerne klären möchte und zwar, wann gab es das letzte Mal etwas vergleichbares?


Werfen wir dafür erneut einen Blick ins Nordlicht Archiv, genauer gesagt auf das Jahr 2003.





Vor mehr als 20 Jahren und zwei Sonnenzyklen früher, ereignete sich etwas ganz ähnliches auf der Sonne. Den Berichten zufolge, mit Jahrgang 1997 kann ich mich leider nicht selber daran erinnern ;-), wurde damals die Erde ebenfalls über Tage mit Sonnenstürmen eingedeckt und das Erdmagnetfeld entsprechend geschwächt. Mit jedem folgenden Sturm gelangten neue Partikel zu uns, die 2003 über mehrere Tage zu hellen Nordlichtern bis in ähnliche Breiten geführt haben, wie diesen Mai. Die Stürme wurden als Halloween Storm sehr bekannt und zur Referrenz für extrem Starke Nordlichtereignisse.


Grundsätzlich wären auch für das aktuelle Ereignis mehrere Tage mit hellen Nordlichtern bis Mitteleuropa möglich gewesen. Doch aufgrund einer Umpolung und Abschwächung des IMF wurden uns weitere Nächte verwehrt.

Das zeigt uns wunderbar auf, wie viel am Ende zusammen passen muss, damit wir hier bei uns solch tolle Nordlichter sehen dürfen. Seit den letzten ählichen Sichtungen vergingen also über 20 Jahre. Wir dürfen gespannt sein, was uns das Maximum vom Sonnenzyklus 25 noch so an den Himmel zaubert...


Nordlichter über den Alpen
Nordlichter über Graubünden

Ich hoffe der Beitrag hat dir einige Antworten geliefert und er war spannend zu lesen! Gerne verweise ich HIER auch auf meinen Bericht vom letzten November.

Sollte dir der Beitrag und meine Bilder gefallen haben, so hast du bis Donnerstag die Chance für mein Bild beim SRF Meteo Voting als schönstes Nordlichtbild des Mai zu stimmen. Ich freue mich über jede Stimme!


Liebe Grüsse und frohes Nordlichter jagen,

Lukas


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